Andacht zur Woche


Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt,
das habt ihr mir getan.

(Matthäus 25, 40)

 

Letzte Woche haben wir St. Martin gefeiert, mehr oder weniger alleine. Viele Veranstaltungen mussten abgesagt werden. „Das ist schade für die Kinder.“ Ist einer meiner Hauptgedanken gewesen. Dann habe ich am Mittwoch für mich Gedanken von Anselm Grün zum Martinstag gelesen. Und dann dachte ich: „Es ist schade für alle.“

 

Im Folgenden die Gedanken von Anselm Grün zum Heiligen Martin am 11. November:

 

„Ein Fest, das vor allem bei Kindern beliebt ist, ist das Martinsfest am 11. November. Martin war der erste Mann, der als Heiliger verehrt wurde, obwohl er nicht das Martyrium erlitten hat. Im Volk ist er einer der beliebtesten Heiligen. Kinder ziehen am 11. November oder am Vorabend mit Laternen durch die Stadt und singen Lieder zu ehren des heiligen Martin, in denen sie seine Barmherzigkeit loben und immer wieder die Szene beschreiben, wie er einem armen Bettler seinen halben Mantel schenkt.

 

Martin wurde um das Jahr 316 in Ungarn als Sohn eines römischen Offiziers geboren. Seine Eltern waren Heiden. Martin wurde schon früh Soldat und machte seinem Namen alle Ehre. Als er gerade mit einem römischen Reiterregiment in Gallien war, geschah die berühmte Geschichte, dass er bekleidet mit deinem Soldatenmantel hoch zu Ross in eine Stadt einzog. Da sah er am Tor einen Bettler, der halbnackt dasaß und fror. Kurz entschlossen zog Martin das Schwert, teilte seinen Mantel und gab die eine Hälfte dem Bettler. In der Nacht erschien ihm dann Christus im Traum und setzte sich mit dem Bettler gleich.

 

In einer weiteren Geschichte, die das Volk mit dem heiligen Martin verbindet, wird erzählt, dass die Leute von Tours einen Bischof suchten und ihre Wahl auf ihn fiel. Um der Bürde des Bischofsamtes zu entgehen, versteckte sich Martin in einem Gänsestall, doch das dortige Geschnatter verriet ihn. Auf diese Legende geht der Brauch der Martinsganz zurück, die um Martini herum geschlachtet und verspeist wird. Im Mittelalter feierte man auch die Martiniminne, zu der man zu Ehren des heiligen Martin Wein trank. Vor der Fastenzeit des Advents beging man nochmals bewusst Gottes Barmherzigkeit und Güte.

 

Martin ist der gerechte Mann, der zugleich milde und barmherzig ist. Er hat die Menschen seiner Zeit durch seine Milde und Güte überzeugt, ließ sich nicht anstecken von der Verrohung der Sitten, die man damals beklagte. Der Soldat wurde zum Soldat Christi, der sich einsetzte für gerechte Strukturen in Gesellschaft und Kirche, der immer wieder für den Frieden kämpfte. Martin hat sich vom Kriegsgott abgewandt und wurde zum Diener des Friedens. So ist er Vorbild in unserem Kampf für den Frieden, der Mut braucht und die Bereitschaft, sich mit ungerechten Menschen auseinanderzusetzen. Ein solcher Kampf geht nicht ohne Wunden ab, das hat Martin immer wieder erfahren. In seinem Streben hat er sich nie von Emotionen leiten lassen, sondern immer vom Geist Jesu Christi, wodurch er in seiner Mitte blieb und sich auch von ungerechten Verhältnissen nicht aus der Beziehung zu Christus herausreißen ließ. Martin strahlte eine solche Güte aus, dass auch seine Feinde davon beeindruckt waren, und wurde zum großen Friedensstifter seiner Zeit. Unterm Volk hinterließ er eine enorme Wirkung. Es hatte das Gefühl, in der Nähe dieses vom Frieden erfüllten Menschen könne man gut leben, da fielen die Streitigkeiten in sich zusammen und ein neues Miteinander wurde möglich. Die Ausstrahlung, mit der Martin seine Zeitgenossen bewegt hat, hat bis heute Bestand. Es ist schon erstaunlich, wie ein Heiliger über 1600 Jahre hinweg die Menschen berührt und zu einem neuen Verhalten herausfordert.“

(Aus: Das Anselm Grün Gottesdienstbuch, Verlag Herder GmbH, 2020)

 

"Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."

(Mt 25,40)

 

Bleiben Sie behütet!

Ihre Gemeindepädagogin Sarah von Biela

Gebet


Barmherziger Gott,

 

Wir haben oft den Eindruck, dass wir für unsere Welt nicht wichtig sind. Wir hinterlassen keine so klaren Spuren wie der heilige Martin. Und doch willst du uns durch den heiligen Martin zeigen, dass auch wir unsere Spur in diese Welt eingraben können, dass auch das, was wir hinterlassen, weiter wirkt.

 

Amen


Alte Andachten


„Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Land.“ „Kein Prophet redet mehr.“ (Psalm 74,7+9)

„Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Land.“ „Kein Prophet redet mehr.“ Diese Verse aus Psalm 74 unterstrich Dietrich Bonhoeffer in seiner Bibel und notierte am Rand das Datum 9.11.1938. Morgen erinnern wir an die Ereignisse dieser Nacht. Synagogen wurden in Brand gesteckt, Torarollen zerrissen, jüdische Geschäfte zerstört und geplündert, jüdische Friedhöfe geschändet, jüdische Männer und Frauen misshandelt, in Konzentrationslager verschleppt und umgebracht.

Äußerer Anlass der Pogrome war ein Attentat. Der 17-jährige Jude Herschel Grynszpan wollte gegen die gewaltsame Abschiebung seiner Eltern von Deutschland nach Polen protestieren. Und verübte ein Attentat auf den deutschen Gesandtschaftssekretär Ernst Eduard vom Rath in Paris.

Am 9. November trafen sich, aus Anlass des Jahrestages des gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsches 1923, führende Nationalsozialisten, darunter auch Hitler, mit alten Kämpfern in München. Joseph Goebbels hielt eine antisemitische Hetzrede, in der er „die Juden“ für den Tod vom Raths verantwortlich machte und von ersten Ausschreitungen berichtete. Anwesende SS- und SA-Führer verstanden dies als indirekte aber unmissverständliche Aufforderung zum Handeln.

Die Übergriffe verliefen fast alle nach demselben Schema: NS-Ortsversammlungen wurden einberufen, dort hielten Gauleiter oder Sturmbannführer antisemitische Hetzreden. Anschließend marschierten die Teilnehmer direkt zu jüdischen Geschäften, Wohnungen oder Einrichtungen und zur Synagoge, um diese zu zerstören. Rundschreiben an die Sicherheitsdienste forderten dazu auf, die Aktionen nicht zu behindern. Deutsches Leben und Eigentum sollte geschützt werden. Insbesondere wohlhabende gesunde männliche Juden nicht zu hohen Alters waren festzunehmen.

Die erschütternde Bilanz der Aktion: Es starben über 1300 Menschen, über 1400 Synagogen und Betstuben wurden zerstört oder zumindest stark beschädigt, ebenso rund 7500 jüdische Geschäfte, Wohnungen und Einrichtungen. Über 30.000 jüdische Menschen wurden von der Gestapo und der SS verhaftet und in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt.

„Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Land.“ Der Darmstädter Schriftsteller Fritz Deppert schreibt: „Wer den Brand entfacht hat? Niemand oder alle. Entfacht hatten ihn wenige, dabei gestanden und geschwiegen haben viele, die Hände zum Löschen gehoben hat keiner.“

„Kein Prophet redet mehr“ – und keine Kirche redete! Unsere Kirchenvertreter schwiegen bis auf ganz wenige Ausnahmen. Einige begrüßten das Pogrom sogar.

Helmut Gollwitzer fragt in seiner Predigt zum Buß- und Bettag am 16. November 1938 in Berlin-Dahlem: „Wer soll denn heute noch predigen? Wer soll denn heute noch Buße predigen? Ist uns nicht allen der Mund gestopft an diesem Tage? Können wir heute noch etwas anderes, als nur schweigen? Was hat nun uns und unserem Volk und unserer Kirche all das Predigen und Predigthören genützt, (…) Was muten wir Gott zu, wenn wir jetzt zu ihm kommen und singen und die Bibel lesen, beten, predigen, unsere Sünden bekennen, (…) Ekeln muss es ihn doch vor unserer Dreistigkeit und Vermessenheit. Warum schweigen wir nicht wenigstens? Ja, es wäre vielleicht das Richtigste, wir säßen heute hier nur schweigend eine Stunde lang zusammen, wir würden nicht singen, nicht beten, nicht reden, (…) Wer Gott gegenüber seine Schuld nicht mehr eingestehen kann, der kann sie bald auch den Menschen gegenüber nicht mehr eingestehen. Da beginnt dann der Wahnsinn, der Verfolgungswahn, der den anderen verteufeln muss, um sich selbst zu vergöttern. Wo die Buße aufhört, ist es auch mit der Humanität zu Ende, da muss die Gemeinschaft zerbrechen (…)

Es steckt ja in uns allen; dass man erleben kann, wie biedere Menschen sich auf einmal in grausame Bestien verwandeln, ist ein Hinweis auf das, was mehr oder weniger verborgen in uns allen steckt. Wir sind auch alle daran beteiligt, der eine durch die Feigheit, der andere durch die Bequemlichkeit, die allem aus dem Wege geht, durch das Vorübergehen, das Schweigen, das Augenzumachen, durch die Trägheit des Herzens, die auf die Not erst dann aufmerksam wird, wenn sie offen zu sehen ist, durch die verfluchte Vorsicht, die sich durch jeden schiefen Blick und jeden drohenden Nachteil von jedem guten Werk abbringen lässt, (…)

Was sollen wir denn tun?

Nun wartet draußen unser Nächster, notleidend, schutzlos, ehrlos, hungernd, gejagt, und umgetrieben von der Angst um seine nackte Existenz, er wartet darauf, ob heute die christliche Gemeinde wirklich einen Bußtag begangen hat. Jesus Christus wartet darauf! Amen."

Gekürztes Zitat aus: Zuspruch und Anspruch. Predigten. Chr. Kaiser Verlag: München, 1954, S. 36ff

 

Eine gesegnete und behütete, nachdenkliche Woche wünscht Ihnen Ihre

Pfarrerin Antje Böhme 

Gebet von Klaus Hemmerle

Man hat meinem Gott

das Haus angezündet

– und die Meinen haben es getan.

Man hat es denen weggenommen,

die mir den Namen Gottes schenkten

– und die Meinen haben es getan.

Man hat ihnen ihr eigenes Haus weggenommen

– und die Meinen haben es getan.

Man hat ihnen ihr Hab und Gut,

ihre Ehre,

ihren Namen weggenommen

– und die Meinen haben es getan.

Man hat ihnen das Leben weggenommen

– und die Meinen haben es getan.

Die den Namen desselben Gottes anrufen,

haben dazu geschwiegen

– ja, die Meinen haben es getan.

Man sagt: Vergessen wir’s

und Schluss damit.

Das Vergessene kommt

unversehens, unerkannt zurück.

Wie soll Schluss sein mit dem,

was man vergisst?

Soll ich sagen:

Die Meinen waren es, nicht ich?

– Nein, die Meinen haben so getan.

Was soll ich sagen?

Gott sei mir gnädig!

Was soll ich sagen?

Bewahre in mir Deinen Namen, bewahre in mir ihren Namen,

bewahre in mir ihr Gedenken, bewahre in mir meine Scham:

Gott, sei mir gnädig.


„Über unserem Leben steht der grimmige Zorn Gottes

und er kommt über uns“

(Zefania 2,2) 

Was für ein furchtbarer Satz, wirst du vielleicht denken. Aber der Gedanke vom Tag des Weltgerichts gehört in die Texte, die den letzten Sonntagen des Kirchenjahres zugeordnet werden. Alles dreht sich um die Frage nach den letzten Dingen, in der Fachsprache der Theologie heißt das Eschatologie. Und das kleine Propheten-Buch Zefanja, aus dem unser heutiger Vers stammt, ist eine Gerichtspredigt.

Zefanja predigte vermutlich in der ersten Hälfte des 7. Jh. v. Chr. in Jerusalem. In scharfem Ton wendet er sich an die Oberschicht in Jerusalem und an die Großgrundbesitzer auf dem Land und ruft sie dazu auf, Ausbeutung und Unterdrückung zu beenden. Er nimmt kein Blatt vor den Mund: „Über unserem Leben steht der grimmige Zorn Gottes und er kommt über uns“ (Zefania 2,2).

Erschrecken dich diese direkten, unmissverständlichen drastischen Worte? Was empfindest du, wenn du so etwas hörst? Wie kommt Zefanja dazu, im Auftrag Gottes so harte Worte zu verkünden? Und: Wie würde es bei dir ankommen, wenn du in der Kirche eine solche Predigt über das bevorstehende Gericht Gottes hören würdest?

Ist das überhaupt noch zeitgemäß, von Gott als Richter zu sprechen? Verschreckt man damit nicht die Menschen? Müssen wir nicht vielmehr von Gottes Liebe sprechen?

Aber – lassen wir nicht etwas Entscheidendes weg, wenn wir die biblische Botschaft so verharmlosen und glätten?

Gott als Richter: Das ist bei uns nicht gerade ein häufiges Predigtthema. Aber es ist eine Grundaussage quer durch die ganze (!) Bibel. Es stimmt nicht, dass Gott im Alten Testament der Richter ist und im Neuen Testament der gnädige Vater!

Die gesamte Bibel kennt keinen strafenden Gott, der aus einem Wutanfall heraus Sanktionen verhängt.

Der Gott der Bibel ist der Gott der Liebe! Als solcher nimmt er unser Leben ernst und konfrontiert uns mit unserem Handeln. Ihm ist es nicht egal, wie wir leben. Er fragt danach, was wir tun und lassen. Für ihn zählt, ob wir lernen, barmherzig zu sein. Für ihn zählt, ob wir lernen zu lieben oder ob wir bitter und kaltherzig sind.

Gott möchte, dass wir uns verantworten, dass wir für unsere Worte und Taten einstehen. Ihm geht es darum, dass wir uns mit uns selbst konfrontieren, dass wir uns besinnen auf das Wesentliche!

Der liebende Gott ist der Richter unseres Lebens. Er zieht uns zur Rechenschaft – und - das tut uns gut!

Das ist ein Grundgefühl unseres christlichen Lebens. Jedes Mal, wenn ich das Vater Unser spreche, rufe ich mir die Mahnung an mich selbst wieder ins Gedächtnis. Jedes Lied des Gesangbuches, jede Stunde aufmerksamer Bibellektüre, jeder besuchte Gottesdienst, jedes ernsthafte christliche Gespräch ruft mir in Erinnerung: Sieh’ Dich realistisch an; gib Dich nicht dem Augenblick hin; sei dir bewusst, dass es um etwas geht.

Dass der liebende Gott mein Richter ist, das bedeutet Hoffnung für alle, denen Unrecht widerfährt. Denn Gott sieht das Leid der Menschen. Keine Träne bleibt unbeachtet. Niemand ist vergessen. Die Zusage Gottes steht: Gott sieht die Leidenden, die Machtlosen. Gott gibt ihnen ihre Ehre zurück. Wenn wir uns der Frage nach unserer Verantwortung stellen, stehen wir für diese Hoffnung ein: keine Tat ist vergessen! Kein Täter kommt davon! Diese Hoffnung sind wir allen Misshandelten, Geschundenen, Gepeinigten dieser Erde schuldig.

Wenn ich über das Gericht Gottes nachdenke, hilft mir das Bild der Ernte. »Was der Mensch sät, das wird er ernten«. Der Gott der Bibel konfrontiert uns mit unseren Taten. Was wir in unserem Handeln aussäen werden wir ernten. Um diese Hoffnung wach zu halten, schicke ich Sie und Euch alle, wie auch die Propheten das tun, mit einem Hoffnungswort in die kommende Woche:

„Fürchte dich nicht, Zion! Lass deine Hände nicht sinken! Denn der Herr, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland. Er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein, er wird dir vergeben in seiner Liebe und wird über dich mit Jauchzen fröhlich sein“ (Zefanja 3,16-17).

 

Ihnen und Euch allen eine behütete, hoffnungsvolle Woche von Ihrer / Eurer Pfarrerin Antje Böhme

Nicht lange vor ihrem Tod in Auschwitz schrieb die Jüdin Edith Stein aus dem christlichen Kloster, in das sie eingetreten war:

„Wer bist du, Licht, das mich erfüllt und meines Herzens Dunkelheit erleuchtet? Du leitest mich gleich einer Mutter Hand, und ließest du mich los, so wüsste keinen Schritt ich mehr zu gehen. Du bist der Raum, der rund mein Sein umschließt und in sich birgt. Du, näher mir als ich mir selbst und innerlicher als mein Innerstes - und doch ungreifbar und unfassbar und jeden Namen sprengend: Heiliger Geist - Ewige Liebe.“

Gebet von Edith Stein

Nicht lange vor ihrem Tod in Auschwitz schrieb die Jüdin Edith Stein aus dem christlichen Kloster, in das sie eingetreten war:

„Wer bist du, Licht,

das mich erfüllt

und meines Herzens Dunkelheit erleuchtet?

Du leitest mich

gleich einer Mutter Hand,

und ließest du mich los,

so wüsste keinen Schritt

ich mehr zu gehen.

Du bist der Raum,

der rund mein Sein umschließt

und in sich birgt.

Du,

näher mir als ich mir selbst

und innerlicher

als mein Innerstes 

und doch ungreifbar und unfassbar

und jeden Namen sprengend:

Heiliger Geist - Ewige Liebe.“

Amen


 „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“
Psalm 139,14

 

„Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin.“ Ein kleiner Satz voller Selbstbewusstsein und voller Dank ausgesprochen: Ich bin wunderbar gemacht! Wer würde das von sich so sagen? Schaue ich morgens in den Spiegel und sage aus tiefsten Herzen: „Oh man, gut sehe ich heute wieder aus“? Wohl kaum. Auch laufe ich eher nicht erhobenen Hauptes und mit stolz geschwellter Brust durch die Straßen und zeige allen: „Hier kommt der Beste, die Schönste und wunderbarste Mensch um die Ecke.“

 

Und wenn ich das alles so von mir nicht sagen kann, liegt das dann nur daran, dass meine Seele, mein tiefes Inneres, es noch nicht erkannt hat?

 

Kein leichtes Thema, das hier angeschnitten wird. Wie sehe ich mich selbst und wie wirke ich auf andere? Selbst- und Fremdbild nennt man das. Und wenn man an dieser Stelle weiterdenkt, ist man ganz schnell bei der Frage, die heute eine immer größere Rolle spielt: Wie will ich gesehen werden? Was für ein Bild von mir zeichne ich, damit mich andere ganz bewusst in bestimmter Art und Weise wahrnehmen? Bin ich damit ehrlich? Wie schnell bin ich dabei, andere und letztlich mich selbst zu belügen?

 

Oder ganz anders: Vielleicht sollten wir ja einfach einmal froh und dankbar sein, dass wir so sind, wie wir sind, dass Gott uns so gemacht hat, mit allen Fehlern, mit allen guten Seiten und Begabungen. Jeder Mensch ist für sich einzigartig. Jeder Mensch ist so, wie er oder sie ist und sein sollte: wunderbar!

 

Wunderbar … Ein Wort, das etwas ganz Besonderes beschreibt. Zweimal kommt dieses Wort in diesem kurzen Textstück vor. Es wiegt schwer. Wunderbar … Besonders. Etwas wunderbar Besonderes sind wir. Ist uns das bewusst? Kann ich ganz für mich überhaupt erahnen, was es bedeutet, dass ich wunderbar bin?

 

Ich habe am Sonntag im Gottesdienst darüber gesprochen und habe den BesucherInnen eine Aufgabe mit nach Hause gegeben: Schreibt euch einen Zettel mit dem Vers, klebt ihn an den Badezimmerspiegel und sagt euch jedes Mal, wenn ihr in den Spiegel schaut: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin!“

 

Vielleicht erkennt es irgendwann der Kopf das Herz und vor allem die Seele.

 

„Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“

 

Bleiben Sie behütet!

Ihre Gemeindepädagogin Sarah von Biela

Psalm


Gott, dein Röntgenblick ist mir unheimlich. Was geheim halten? Weglaufen? Geht nicht. Aber das ist nicht Kontrolle. Es ist Fürsorge. Liebe.

 

Danke, Gott, dass ich wunderbar bin und Du mich auch sahst, als ich noch nicht vollkommen war. Erkenne mich und prüfe mein Herz, Herr.

 

Psalm 139

(aus: "Die Bibel in Kurznachichten")


Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,

fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir,

dein Stecken und Stab trösten mich.

(Psalm 23,4)

Wandern wir gerade wieder im finsteren Tal? Die Corona-Zahlen steigen wieder. Das macht mir Angst.

Doch Angst ist ein schlechter Ratgeber, sage ich mir. Denn Angst spricht in meinem Gehirn genau die Regionen an, die nur mit Flucht oder Angriff reagieren können.

Dann bin ich manipulierbar. Dann werde ich von uralten archaischen Instinkten regiert. Und die treiben mich in den Kreislauf der Angst.

Dabei brauche ich jetzt etwas ganz anderes, nicht Panik oder Flucht, oder Hamsterkäufe, oder Verschwörungstheorien, die mir einreden, das sei doch alles nicht so schlimm oder bloß erfunden.

Ich brauche jetzt Ruhe. Die aktuellen Informationen müssen verstanden, eingeordnet, abgewogen werden. Ich brauche Vertrauen. In unsere Politikerinnen und Politiker, die sich bemühen, die Fakten richtig einzuschätzen und sinnvolle Handlungsempfehlungen auszusprechen. Ich brauche Vertrauen in mich selbst, dass ich jetzt für mich und andere die richtigen Entscheidungen treffe, dass ich die drohende Gefahr ernst nehme und die Regeln einhalte, die immer noch lauten: Abstand halten, Hygieneregeln beachten, auf unnötige Reisen oder große Feste und Feiern verzichten.

Das gilt für uns alle. Als Christen haben wir noch etwas beizusteuern, was uns allein ausmacht, was wir aber allen mit auf den Weg geben können: die Gewissheit, dass Gott bei uns ist; dass er mit uns auch durch dieses finstere Tal der Befürchtungen und Ängste geht. Dass er uns seinen Stecken und Stab reicht, an dem wir uns festhalten und aufrichten können.

Gott ist da. Er durchbricht meine Reflexe, meine Kurzschlüsse im Gehirn. Gott macht mich ruhig: das schenkt mir einen Freiraum, in dem ich mich geborgen fühlen kann. Mein Grundvertrauen wird gestärkt. Mein Glaube schenkt mir Gelassenheit, die von Gott kommt.

Und damit macht er mich frei zu besonnenem und überlegtem Handeln. Er öffnet mir den Blick für neue Perspektiven. Ich kann meine Angst loslassen. Ich gewinne Freiheit.

Dietrich Bonhoeffer hat aus dem Gefängnis in Tegel zu Pfingsten 1944 geschrieben:

„Man lernt es ja allmählich, von den Bedrohungen des Lebens Abstand zu gewinnen, d.h. Abstand zu gewinnen klingt eigentlich zu negativ, … richtiger ist es wohl zu sagen: man nimmt diese täglichen Bedrohungen in das Ganze des Lebens mit hinein. Ich beobachte hier immer wieder, dass es so wenige Menschen gibt, die viele Dinge gleichzeitig in sich beherbergen können.“ Uns Christen stellt der Glaube „in verschiedene Dimensionen des Lebens zur gleichen Zeit; wir beherbergen gewissermaßen Gott und die ganze Welt in uns. Wir weinen mit den Weinenden und freuen uns zugleich mit den Fröhlichen. … Das Leben wird nicht in eine einzige Dimension zurückgedrängt, sondern es bleibt mehrdimensional-polyphon (vielstimmig). Welch eine Befreiung ist es denken zu können und in Gedanken die Mehrdimensionalität aufrecht zu erhalten.“

So werden wir getröstet und bleiben bei Trost. So können wir das weitergeben, was uns an Ermutigung, Gelassenheit und Freiheit durch unsere Bibel geschenkt wird:

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. (Psalm 23,4)

 

Gott behüte und schütze Sie! Ihre Pfarrerin Antje Böhme

Lied

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Josh Groban, You raise me up
Josh Groban - You Raise Me Up (Official
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Gebet von Dietrich Bonhoeffer

Gott, zu dir rufe ich

in der Frühe des Tages.

Hilf mir beten und

meine Gedanken sammeln zu dir;

ich kann es nicht allein.

In mir ist es finster,

aber bei dir ist das Licht;

ich bin einsam,

aber du verlässt mich nicht;

ich bin kleinmütig,

aber bei dir ist die Hilfe;

ich bin unruhig,

aber bei dir ist der Friede;

in mir ist Bitterkeit,

aber bei dir ist die Geduld;

ich verstehe deine Wege nicht,

aber du weißt

den rechten Weg für mich.


All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch. (1. Petrus 5,7)

Das ist ein Satz, der es in sich hat! Vielleicht erinnerst Du dich noch an das Lied von Jürgen von der Lippe: „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen? Na, dann ist ja alles klar.“

Ziemlich treffend und witzig wird beschrieben, was es mit der Sorge auf sich hat. Die Sorge hat nie Sendepause. Sie kennt kein Sättigungsgefühl. Sie ist hartnäckig. Ihr Hunger nach Aufmerksamkeit ist nicht zu stillen. Sie beansprucht mich ganz, mit Haut und Haaren. Ja, sie will mir regelrecht unter die Haut kriechen und mich nicht mehr loslassen.

Dabei ist sich Sorgen normal, es ist ein Teil meines Lebens. Es hat mit Liebe zu tun, mit sich kümmern, mit versorgen und umsorgen. Wenn ich Verantwortung übernehme, dann sorge ich mich.

Aber: wenn ich nicht aufpasse, wird die Sorge immer größer und größer. Sie nimmt mich gefangen, sie lähmt mich.

Wenn nur noch Sorgen in meinem Kopf kreisen, dann hat die Sorge mein Leben im Griff, dann frisst sie mich sprichwörtlich auf. Irgendwann geht mir die Puste aus. Schließlich bin ich vor lauter Sorge nicht mehr handlungsfähig. Das ist die Natur der Sorge. Die Frage ist:

Lasse ich es zu, dass Sorgen mich von vorne und hinten in die Zange nehmen, dass ich an nichts anderes mehr denken kann und fast verrückt werde vor Sorge?

Wen lasse ich in meinem Leben bestimmen: die Sorgen oder Gott.

Muss ich mir wirklich über tausend Dinge den Kopf zerbrechen oder vertraue ich mich der Fürsorge Gottes an?

Mir hilft es, meine Sorgen genau anzuschauen.

Was genau bereitet mir Kopfzerbrechen? Was beschäftigt mich in schlaflosen Nächten am meisten? Welche konkreten Schritte sind dran?

Und mir hilft die Zusage Gottes: er will nicht, dass ich mich vor Sorge verzehre. Er will mir abnehmen, was mich quält. Er will mir tragen helfen. Er will die Sorge für mich übernehmen.

Und das ist eine andere Sorge! Nicht die, die nur um sich selbst kreist und nichts verändert. Gottes Sorge um mich ist Fürsorge!

Fürsorge hat immer den anderen im Blick. Der Fürsorge geht es um das Wohlergehen des anderen, nicht um das eigene.

Wenn ich Gottes Fürsorge für mich annehmen kann, dann kann ich meine Sorgen loslassen, auf ihn werfen.

Luther sagt es so: „Wer das Werfen lernt, der wird erfahren, dass es so ist, dass Gott für ihn sorgt. Wer aber solches Werfen nicht lernt, der muss bleiben ein verworfener, zerworfener, unterworfener, ausgeworfener, abgeworfener und umgeworfener Mensch.“

Also: Wer werfen kann, ist klar im Vorteil! Ich wünsche Dir gute Wegwürfe der Sorgen!

Einen gesegneten Sonntag und eine behütete Woche wünscht

Pfarrerin Antje Böhme

Gebet (aus: Jörg Zink, Wie wir beten können)

Ich will nicht sorgen,

wenn der Tod vom Himmel regnet,

wenn der Krieg einbricht in den Frieden

oder das Unglück in das sichere Haus.

Was sollte meine Sorge nützen?

Ich will nicht sorgen,

wenn ich meinem Tag nicht gewachsen bin,

wenn die vielen Aufgaben mich bedrängen,

die vielen kleinen Dinge,

die zum Leben nötig sind.

Ich will sie ernst nehmen,

aber mich nicht sorgen.

Ich will nicht sorgen,

wenn ich alt und krank und gebrechlich werde

und meine Kraft nachlässt,

auch wenn ich nichts weiß über den kommenden Tag.

Den kennst allein du.

Du sorgst für mich.

Dass ich lebe, macht deine Güte.

Dass ich überstehe, kommt von dir.

Nichts kann ich tun,

wenn du mich nicht führst.

Was geschieht, ist dein Werk.

Dir vertraue ich mich an.

In deiner Hand ist mein Schicksal,

in deiner Hand sind Menschen und Völker,

Leben und Tod.

Wem soll ich mich anvertrauen außer dir?


„Ost und West erfüllst du mit Jubel"

(Psalm 65,9) 

Ost und West erfüllst du mit Jubel – diese Worte aus Psalm 65 scheinen mir wie geschaffen für die Ereignisse, die vor 30 Jahren zum Fall der Mauer und zur Deutschen Einheit führten.

In den Achtzigerjahren war die Kirche für Viele in der DDR zum Sprachraum der Freiheit geworden. Gespräche, Diskussionen, Andachten, Friedensgebete wurden eine Quelle der Ermutigung, den Widerstand nicht nur heimlich hinter verschlossenen Türen zu äußern, sondern auf die Straße hinauszutragen.

Christian Führer, damals Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche, beschrieb es so: „9. Oktober 1989, Leipzig. Keine Gewalt. Ein Wunder biblischen Ausmaßes. Und wir sind dabei gewesen!“

Ost und West erfüllst du mit Jubel! Ich war von Jubel erfüllt, ich konnte es kaum fassen, dass dieses Wunder wirklich geschah. Als am 3. Oktober 1990 die Einheit beschlossen wurde, kannte mein Jubel keine Grenzen. Jetzt war es zu Ende, dieses Unrechtsregime, mit seiner Schikane und Kontrolle, mit der Dauerüberwachung durch die Stasi, mit der Gewalt gegen Andersdenkende.

Es schien wirklich Grund zum Jubeln in Ost und West. Die Mächtigen schienen für einen Moment das Krieg führen verlernt zu haben. Bis hin zum Stasioffizier, der gesagt haben soll: „Auf alles waren wir vorbereitet nur nicht auf Kerzen und Gebete.“

Was den Jubel zwischen Ost und West in mir dämpft, was mich wirklich traurig macht, ist, dass wir in der Kirche es nicht vermocht haben, diesen Sprachraum der Freiheit offen zu halten. Weite Teile unserer Bevölkerung sind dauerhaft entkirchlicht. Das schmerzt!

Ost und West erfüllst du mit Jubel! Der Psalmvers sieht Gott als Hoffnung aller Völker. Alles, was unter uns gewachsen ist, verdankt sich ihm und nicht unserer menschlichen Mühe, unserem Machen oder Entscheiden. Nicht wir haben es verdient, errungen, erarbeitet, sondern es ist uns geschenkt worden. Wenn ich so denke und bete, dann blicke ich über mich selbst hinaus. Aber ohne blind zu sein für das, was um mich herum geschieht. Wenn ich so denke und bete, nehme ich mit meinem eigenen Leben Platz bei Gott.

Wenn Gott nicht präsent ist in meinem Leben, wird es dunkel am Horizont. Denn dann kann ich nichts über mein eigenes Leben hinaus erwarten. Hier und jetzt muss es gut gehen. Und wenn es nicht gut geht, dann versumpfe ich in der Klage über das, was fehlt. Ernüchterung macht sich breit, unzufrieden beschwere und beklage ich mich.

Ost und West erfüllst du mit Jubel! Gott macht fröhlich! Er ist der Muntermacher meines Lebens. Er macht mich zum „unverbesserlichen Optimisten“, wie Bonhoeffer sagt. 

Der Jubel, den Gott in mir weckt, mündet immer in Arbeit! Es bleibt genug zu tun, damit der Jubel sich ausbreiten, wachsen, Herzen froh und hell machen kann! Deshalb liegt auch die Einheit Deutschlands niemals hinter uns, sondern immer vor uns: in Deutschland, in Europa, ja in der ganzen Welt.

Es sind immer noch Grenzen zu überwinden, Flüchtlinge aufzunehmen, gerechte Verhältnisse zu schaffen, es sind Mauern einzureißen! Der Frieden, die Freiheit ist wieder gefährdet. Die Demokratie ist und bleibt eine mühsame Frucht.

Ost und West erfüllst du mit Jubel

Das könnte in diesen Tagen unser Gebet sein: Erfülle uns doch wieder mit Jubel in Ost und West. Erinnere uns doch an die Macht der Liebe. Lass Frieden und Freiheit groß werden in uns und um uns. Mach den Glauben stark in uns.

Der brasilianische Befreiungstheologe Hélder Câmara sagt: „Wenn einer alleine träumt ist es nur ein Traum, wenn viele diesen Traum miteinander träumen, ist es der Beginn einer neuen Wirklichkeit.“

 

Einen gesegneten Sonntag und eine behütete Woche wünscht Ihnen

Ihre Pfarrerin Antje Böhme

Psalm 65 nach Peter Spangenberg

Im Gottesdienst bedeutet mir die Stille besonders viel.

Dann weiß ich: Gott hört, was wir beten.

Wir bringen viel mit, was uns quält,

und unsere Fehler machen uns

schwer zu schaffen.

Es ist dann eine Wohltat,

vor dem Altar zu sitzen,

nach innen zu horchen

und zu spüren, wie sehr Gott uns liebt.

Das macht innerlich reich

und gibt neuen Mut.

Gott nimmt in sich auf,

was wir ihm sagen.

Er gibt uns Erholung.

Das wissen und feiern Menschen

rund um den Erdball

von der Wüste bis an Meer.

Er hat die Entwicklung des Weltalls bestimmt,

hat Gebirge wachsen lassen,

hat das Spiel von Ebbe und Flut entworfen.

In allen Himmelsrichtungen gibt es Menschen,

die sich vor der Größe seiner Macht erschrecken

und gleichzeitig staunen über sein Werk.

Er krönt das Jahr mit seinem Gut,

und seine Spuren triefen von Segen.

Von Saat bis Ernte:

Alles trinkt von seinen Gaben,

alles wächst durch seinen Segen.

Er hat sich unserem Land zugewandt

und es mit seinen Gaben überschüttet.

Unsere gute Erde gibt her,

was er erlaubt und reich sind die Erträge, dass die Menschen singen

und tanzen vor Glück und Dank! 


„Darum setzt alles daran, dass zu eurem Glauben Charakterfestigkeit hinzukommt und zur Charakterfestigkeit Erkenntnis, zur Erkenntnis Mäßigkeit und in der Mäßigkeit Geduld und in der Geduld Ehrfurcht vor Gott, zur Ehrfurcht vor Gott Liebe zu den Glaubensgeschwistern und darüber hinaus Liebe ´zu allen Menschen`.“

(2 Petr 1,5-7)

 

Liebe Gemeinden, nun ist es schon ein halbes Jahr, dass wir in dieser neuen und unbekannten Zeit leben. Eine Zeit der Pandemie. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas mal erlebe. Aber nun stecke ich mitten drin. Nun stecken wir mitten drin. Und es hört nicht auf. Als im März alles anders wurde, dachte ich, in drei Monaten ist es vorbei, dann kehren wir zurück zum Alltag, zur Arbeit, zu normalen Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen…

 

Nun, so ist es nicht gekommen. Diese neue Welt wird noch eine Weile neu bleiben und unbekannt und verrückt. So schnell kommt die Normalität nicht zurück. So schnell lässt sich der Virus nicht erforschen, nicht besiegen. Er lässt sich auch nicht ignorieren. Und ich werde ungeduldig. Ungeduld, das begegnet mir gerade so oft, in so vielen Gesprächen, in so vielen Gesichtern. Wann geht es wieder los? Wann sehen wir uns wieder? Wann endlich kein Abstand mehr? Einsamkeit, Wut, Angst vor dem Unbekannten, Ungewissheit. So viele dieser Gefühle begegnen mir jeden Tag. Und auch in mir spüre ich diese Unruhe. Ungeduld. 

 

Und dann kommt so ein Bibelwort wie aus dem 2. Petrusbrief gerade Recht. Ich habe es so dringend nötig. Manchmal brauche ich ein tröstendes Wort, manchmal einfach Ruhe und manchmal brauche ich ganz dringenden einen Appell, der mich daran erinnert, was mir guttut und was ich tun kann.

 

Unser Glaube steht nicht im luftleeren Raum und die Worte der Bibel entstanden selten in frohen und sicheren Zeiten. Sie sind im Gegenteil in Zeiten wie diesen entstanden. In Umbruchszeiten, voller Sorge und Ungewissheit. Und sie erinnern mich gerade deshalb daran, dass unser Glaube nicht alleine steht. Er besteht nicht nur aus gemeinsamen Gebeten und Gesang, nicht nur aus Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen. Er besteht nicht aus Pfarrerinnen und Pfarrern, die wir gern sehen wollen. Unser Glaube lebt und bewegt sich in uns. Und in Zeiten wie diesen gibt er diesen wunderbaren Fahrplan vor. Mein Glaube führt zur Charakterfestigkeit, wenn ich ihn ernst nehme. Dann suche ich den richtigen Weg und nicht nur den leichten. Dann lasse ich die Erkenntnis zu, dass es mir immer noch gut geht und Mäßigkeit mir vielleicht gerade gut anstehen würde. Vor allem bei den Bildern aus Moria, oder den Schiffen auf dem Mittelmeer, die überfüllt sind und keinen Hafen finden. Bei den Zahlen aus den Nachbarländern, wo so viele Menschen an Covid-19 sterben. Mäßigkeit, Trost, für die, die krank sind und an den Folgen der Pandemie leiden und ein Blick dafür, was gerade in unserem Land gelingt, in all der Not. Und dann spüre ich Dankbarkeit treten an diese Stelle der Unruhe und die schenkt mit Geduld. Geduld, um diese Situation, die ich nicht ändern kann, anzunehmen und sie positiv mitzugestalten, so gut es mir gelingen kann. Zu helfen, wo es mir möglich ist. Zusammenhalt zu stärken, Mitmenschlickeit und Solidarität zu verteidigen. Und das bedeutet auch manchmal Dinge auszuhalten, die uns unsinnig erscheinen, weil sie so unterschiedlich gehandhabt werden, in Sportvereinen und auf Arbeitsplätzen, in Kirchen und Gemeinden, in Familien und Freundeskreisen, in Geschäften und Schulen und Kindergärten. 

 

Es ist neu und verrückt und unbekannt. Natürlich ist nicht alles perfekt organisiert, nicht immer alles nachvollziehbar und nicht alles überall gleich. Aber wir versuchen es. Und solange wir versuchen, uns dabei von den Grundpfeilern unseres Glaubens tragen zu lassen, nämlich von der Suche nach Frieden und getragen von der Liebe, möchte ich glauben, dass es uns gelingt. Langsam und Schritt für Schritt. 

 

So schenke uns Gott das nötige Vertrauen und die Geduld, die wir brauchen.

 

Ihre Pfrn. Jennifer Scherf

Psalm


Wir machen uns auf den Weg

(Nach Psalm 84)

 

Bei dir lässt sich leben, mein Gott!

 

Meine Seele suchte eine Wohnung und fand sie nicht. Die Vögel unter dem Himmel haben Nester für ihre Jungen, die Lilien auf dem Felde ihren Ort, an dem sie Wurzel schlagen, aber du bist in den Kirchen nicht zu finden.

 

So habe ich mich auf den Weg gemacht, bin durch Einöden und trostlose Länder gezogen, habe die Menschen und fremde Welten erlebt. Und auf dem Weg zu dir, Gott, bei den geringsten meiner Brüder und Schwestern, bei den Ärmsten der Armen, bei den Ruhe- und Rastlosen, mitten unter ihnen habe ich dich gefunden.

 

Du schaffst Menschlichkeit, wo Unmenschen regieren, du zeigst Liebe, wo Gleichgültigkeit den Tag lähmt, du wohnst bei den Ärmsten und schläfst bei den Geschändeten. Deine Liebe ist grenzenlos.

 

Der Sonne schenkt, wo Schatten ist, erleuchte uns mit deinem Geist. der uns erwärmt, wo Kälte klirrt, taue uns auf mit deiner Güte. Der uns bewegt, wo wir erstarrt, bring uns auf dem Weg zum Leben. 



„In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost,

ich habe die Welt überwunden.“

(Johannes 16, 33)

Keine Angst – das wird schon! Beruhigend gemeinte Worte, die mir aber gar nicht helfen, wenn ich so richtig Angst habe.

Vieles ist beängstigend: die Angst vor einer schlimmen Diagnose, die Angst davor, den Arbeitsplatz zu verlieren, die Angst zu versagen. Beängstigend ist die Ausbreitung von Antisemitismus, Rassismus und Populismus auf unserer Welt. Die rasanten globalen Veränderungen machen uns Angst, wir haben Angst vor einem neuen Wettrüsten, vor dem Einsatz von Atomwaffen, vor Krieg, vor Terrorismus, Immer bedrohlicher empfinden wir die Erdüberhitzung und die Sorge wächst, dass sich das nicht eindämmen lässt, dass Dürrekatastrophen drohen.

Seit ein kleines Virus namens Covid 19 unsere ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt, sind wir zutiefst verunsichert. Uns wird bewusst, wie viel wir zu verlieren haben. Und dauernd müssen wir Entscheidungen treffen: Was stimmt? Was ist richtig? Was hilft?

Was rät Jesus?

1. Er stellt nüchtern fest: In der Welt habt ihr Angst! Angst gehört zum Leben! Es ist normal Angst zu haben. Es ist kein Zeichen von Schwäche! Steh zu deiner Angst, sprich darüber. Du wirst dich wundern, wie dadurch andere Menschen ermutigt werden, von ihren Ängsten zu erzählen.

2. Er empfiehlt: Seid getrost! Seid mutig! Steht nicht nur passiv vor euren Ängsten! Geht aktiv mit ihnen um! Ihr werdet daran wachsen, ihr werdet stärker, ihr wachst über eure Angst hinaus.

Pflegt nicht ein Katastrophendenken, macht euch nicht verrückt, hört auf, euch auszumalen, wie schlimm alles wird. Damit reißt ihr nur euch selbst und andere immer tiefer in der Strudel der Angst hinein.

3. Er verspricht: Ich habe die Welt überwunden!

Jesus hat die Welt und damit die Ängste überwunden, indem er den Tod, den größten Angstmacher, ein für allemal besiegt hat. Daraus ergibt sich ein neues Lebensgefühl. Eine neue Haltung zum Leben: voller Hoffnung und Zuversicht.

Weil Jesus überwunden hat, was uns klein macht, was uns lähmt, was Leben verhindert, kann ich mich meiner Angst stellen, ich kann sie mir bewusst machen und so besiegen. Jeder kleine Sieg über die Angst ist ein Schritt Jesus hinterher. Denn Jesus möchte, dass wir mit Freude und positiver Energie leben. Er möchte, dass wir dankbar sind für das, was wir haben und dass wir miteinander teilen, einander helfen und unterstützen. Denn durch Jesus trennt uns nichts mehr von der Liebe Gottes!

"Fürchtet euch nicht!" heißt es 365 Mal in der Bibel!

365 Dosen Ermutigung, für jeden Tag des Jahres. Eine Beruhigung, die ich mir nicht selbst zusprechen kann, sondern mir sagen lassen muss.

Vielleicht nimmst du dir für nächste Woche vor, was Papst Johannes XXIII. so ausdrückt: „Nur für heute werde ich keine Angst haben ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist – und ich werde an die Güte glauben.“

 

Einen gesegneten Sonntag und eine mutige Woche wünscht Ihnen Ihre

Pfarrerin Antje Böhme

Text

Spar deinen Wein nicht auf für morgen

 

Spar deinen Wein nicht auf für morgen

Sind Freunde da, so schenke ein

Leg, was du hast, in ihre Mitte

Durchs Schenken wird man reich allein

 

Spar nicht mit deinen guten Worten

Wo man was totschweigt,

schweige nicht

Und wo nur leeres Stroh gedroschen

Da hat dein gutes Wort Gewicht

 

Spar deine Liebe nicht am Tage

Für paar Minuten in der Nacht

Hol sie aus ihrer Dunkelkammer

Dann zeigt sie ihre Blütenpracht

 

Spar deinen Mut nicht auf für später

Wenn du mal was ganz Großes bist

Dein kleiner Mut hilft allen weiter

Weil täglich Mut vonnöten ist

 

Spar deinen Wein nicht auf für morgen

Sind Freunde da, so schenke ein

Leg, was du hast, in ihre Mitte

Durchs Schenken wird man reich allein

 (Gerhard Schöne)


 „Ja, Gott war es,
der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat.“

(2.Kor 5,19)

 

Versöhnung – ein schönes Wort für einen positiven Prozess.

 

Nach einem Streit oder einer Auseinandersetzung haben wir uns versöhnt. Wir haben das, was zwischen uns steht, besprochen und uns geeinigt. Hier wird völlig klar: Versöhnung geht immer nur von beiden Seiten. Selbst wenn klar ist, dass ich Schuld habe an einem Umstand, so ist es keine Versöhnung, wenn ich um Entschuldigung bitte und diese nicht angenommen wird.

 

Aber in der Monatslosung steht, dass Gott die Welt mit sich versöhnt. Nicht der schuldige Mensch kommt zu Gott, sondern Gott räumt, von sich aus, die Sünden weg und lädt die Welt ein, diese Versöhnung anzunehmen.

 

Sünde – ein großes Wort. Da schwingt viel mit und doch ist es immer wieder ungreifbar. Sünde ist etwas, das uns alle betrifft. Als Kind habe ich gelernt, dass es dann Sünde ist, wenn man böse Dinge tut, z.B. Lügen oder Stehlen. Aber Sünde ist so viel mehr. Sünde ist mit sich selbst nicht zufrieden zu sein, an sich zweifeln, mit sich nicht im Reinen sein, mit sich selbst nicht und mit Gott nicht.

 

Ich denke da an mich: ich bin Unvollkommen, mache Fehler, habe jemanden durch Worte verletzt, will am Liebsten Dinge ungeschehen machen. Meine Gedanken kreisen um mich, meine Unvollkommenheit und meine Fehler und ich geißele mich in Gedanken selbst dafür. Ich bin fixiert auf mich und lasse oft Gott und andere Menschen nicht an mich heran.

 

Und nun kommt Gott und räumt meine Sünden weg. Er zeigt mir einen Weg da raus: Er nimmt mich und auch dich an, genau so, wie wir sind, mit unseren Fehlern. Die Sünde, die wir angehäuft haben, schaufelt ER aus dem Weg, sodass wir froh und frei leben können. Frei von Selbstzweifel und frei von Unvollkommenheit.

 

Mit dieser Freiheit können wir Menschen begegnen und uns mit ihnen versöhnen. Versöhnung ist eines von den Dingen, die sich vermehrt, wenn man sie teilt.

 

„Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat.“

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Gemeindepädagogin Sarah von Biela

Segen


Wunsch nach Frieden

 

Den tiefen Frieden im Rauschen der Wellen wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden im schmeichelnden Wind wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden über dem stillen Land wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden unter den leuchtenden Sternen wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden vom Sohn des Friedens wünsche ich dir.

 

(aus Irland)

 


Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich. (Römer 11,18)

Dieser Sonntag heißt Israel-Sonntag. Warum ist das gerade heute wichtig?

Seit dem 16. Jahrhundert wird er in der evangelischen Kirche gefeiert; zunächst: als Gedenktag an die Zerstörungen des Jerusalemer Tempels.

Zwischen Christen und dem Volk Israel war das Verhältnis von Anfang an kompliziert. Paulus quält sich im Römerbrief immerhin drei ganze Kapitel mit der Frage herum, warum das Volk Israel nicht an Jesus glaubt. Schon zu neutestamentlichen Zeiten dachten viele Christen, Israel sei von Gott verworfen und die christliche Gemeinde an seine Stelle getreten.

Wir alle haben unbewusst antijüdische Gedanken im Konfirmationsunterricht oder Religionsunterricht mitbekommen. Schon die Bezeichnung „Altes Testament“ führt unser Denken in die verkehrte Richtung: als wären die Texte dort weniger von Bedeutung, als wären sie veraltet und nebensächlich gegenüber den Geschichten, Texten und Briefen, die von Jesus handeln. Richtig muss es heißen: das Erste Testament, oder die Hebräische Bibel. So ehren wir den umfangreichsten und absolut gleichwertigen Teil unserer Bibel. Bis heute hören wir in Bibelarbeiten und Predigten Klischees über das Judentum, oder die Pharisäer. Hartnäckig hält sich bei uns bis heute die Vorstellung, die Juden hätten Jesus ermordet. Dabei wurde er von der römischen Besatzungsmacht hingerichtet!

Gehen wir bei Paulus in die Schule und lernen von ihm: Er beantwortet die schwierige Frage so: Es ist ein Geheimnis! Gott hat das Volk Israel von Anfang an zu seinem geliebten Volk gemacht und das bleibt bis zum Ende aller Zeiten! Dass das Volk Israel nicht an Jesus als den Erlöser glaubt, geschieht uns später Geborenen zugute! Damit wir alle zum Glauben finden, darum ist Israel so widerständig. Das Nein Israels zu Jesus ist von Gott gewollt und unendlich wertvoll für uns, damit wir zum Glauben kommen!

Wer Christ wird und sich taufen lässt, wird Teilnehmer der Bundesgeschichte Gottes mit Israel, die lange vor Christi Geburt begann. Deshalb darf sich kein Christ über Israel erheben, weder mit Worten noch mit den Fäusten!

Das Heil kommt von den Juden!

Wir Christen haben, was wir sind, Israel zu verdanken. Wir leben vom Heiland, dem Juden Jesus; wir leben aus den Verheißungen, die Gott dem Volk Israel gab; wir leben von ihren Psalmen und Gebeten; wir leben von ihren Geboten der Gottes- und der Nächstenliebe, die wir aus der Hebräischen Bibel lernen.

Am Israelsonntag gedenken wir voller Trauer des Unrechts, das den Juden über Jahrhunderte von Christen angetan  wurde von den Pogromen während der Kreuzzüge bis zur Vernichtung des europäischen Judentums in Nazi-Deutschland. Über diesem Sonntag steht der Feuerrauch von Birkenau, stehen die Gewehrkugeln, Schläge, Misshandlungen in den KZs. Und die angeschossene, zersplitterte, aber der Zerstörung widerstehende Synagogentür von Halle.

Wir feiern heute unsere gemeinsame Glaubenstradition mit Israel. Gerade heute, mitten im Hass, Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit bitten wir um die rebellische Energie der biblischen Propheten. Wir bitten um die sanftmütige Kraft Jesu, die Menschen verwandelt und stärkt.

»Ob Jesus der Messias ist – das hängt von euch ab«, hat der jüdische Theologe Michael Wyshogrod gesagt: Von Deinem/meinem Leben und Handeln hängt also ab, ob die Jesus-Geschichte, die Wirkung des Evangeliums unter den Völkern auch Israel zugutekommt. Ob Israel inmitten der Völker ohne Angst leben kann. Von Dir und mir hängt ab, ob wir das, was sich in unseren Köpfen unbewusst verfestigt hat, bearbeiten und auflösen, ob wir neu denken.

Uns Christen darf Israel keine Ruhe lassen. Wenn wir unsere Wurzeln vergessen, dann vergessen wir unsere Verantwortung.

Welche Denkblockaden gibt es bei dir? Bist du wachsam genug, was den aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland anbelangt? Bist du bereit, Stellung zu beziehen und nicht zu schweigen?

Einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche wünscht Ihnen Ihre

Pfarrerin Antje Böhme

 

Psalm 122

Ein Segenswunsch für Jerusalem 

Betet für den Frieden Jerusalems!

Wer dich liebt, dem soll es gut ergehen!

Wie sehr habe ich mich gefreut,

als man zu mir sagte:

»Komm mit, wir gehen zum

Haus des HERRN!«

Nun sind wir endlich am Ziel! Wir haben Jerusalems Tore durchschritten.

O Jerusalem, du herrliche Stadt,

wie unbezwingbar bist du gebaut!

Betet für den Frieden Jerusalems! Wer dich liebt, dem soll es gut ergehen!

Zu dir ziehen alle Stämme des HERRN hinauf,

ganz Israel will ihn dort preisen,

so wie er es befahl.

Jerusalem, in dir regiert Davids Königshaus,

in dir spricht der König das Recht.

Hinter deinen festen Mauern

soll Frieden herrschen,

und in deinen Palästen

soll man sicher wohnen!

Weil mir meine Verwandten

und Freunde am Herzen liegen, wünsche ich dir, Jerusalem,

Frieden und Glück.

Betet für den Frieden Jerusalems!

Wer dich liebt, dem soll es gut ergehen! 


„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“

(Matthäus 24,39)

Freiheit – ist das einzige, was zählt, singt Marius Müller-Westernhagen. War es das, was am vergangenen Samstag Tausende Menschen in Berlin auf die Straße trieb? Oder ging es eher um meine Freiheit, die die Menschen ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Einhalten von Abstandsregeln auf die Straße gehen ließ?

Was ist das für eine Freiheit? Die Freiheit: alle anderen sind mir egal, solange ich tun kann, was ich will? Was bringt es mir, wenn ich mein Recht durchsetze ohne Rücksichtnahme, ohne Anstand, ohne (Verzeihung!) Verstand?

Was ist das eigentlich – Freiheit? Wo beginnt, und wo endet sie? Ganz naiv könnte ich sagen: Frei ist, wer jederzeit tun kann, was er will. Davon, zu tun, was wir wollen, können uns nur äußere Einflüsse abhalten. Das sind zum Beispiel gesellschaftliche Regeln.

Der Philosoph Isaiah Berlin sprach von negativer und positiver Freiheit. Negative Freiheit war für ihn die Freiheit von äußeren Einschränkungen; als positive Freiheit bezeichnete er die Freiheit über sich selbst zu bestimmen. Er meinte, es hängt vom Grad der menschlichen Verantwortung ab, was wir als Einschränkung unserer negativen Freiheit empfinden. Auf die Corona-Demonstrationen bezogen: Wer seine Freiheit durch die Abstandregeln und das Tragen einer Schutzmaske so extrem eingeschränkt empfindet, der fühlt sich einfach nicht mehr verantwortlich für die Gesundheit seiner Mitmenschen, sondern stellt sein eigenes Wohlbefinden an die erste Stelle. Man kann dem folgend sagen, es gibt die „Freiheit von“ und die „Freiheit zu“. Fragt sich also: Ist die Freiheit meines Mitmenschen eine Grenze, eine Beschränkung meiner eigenen Freiheit oder ist sie eine Chance, die sich meiner eigenen Freiheit bietet? Jean Paul Sartre verfolgt genau diesen Gedanken, wenn er sagt, man könne nicht die eigene Freiheit anstreben, ohne gleichzeitig die Freiheit des anderen anzustreben. Der andere ist also nicht zwangsläufig eine Grenze meiner Freiheit. Ganz im Gegenteil, seine Freiheit ist eine Chance für meine eigene Freiheit, eine Chance, sich gegenseitig zu beschenken. Wenn Freiheit jedoch etwas Zwischenmenschliches ist, dürfen wir bei dem Versuch, die eigene Freiheit zu verwirklichen, die Freiheit des anderen nicht außer Acht lassen Wenn wir diesen Gedanken weiterdenken, kommen wir zu dem Schluss, dass Freiheit etwas mit Verbundenheit zu tun hat. So hat es Martin Buber gesehen: Freiheit ist für ihn ein Mittel, ein Weg, eine Chance zur Herstellung von Verbundenheit. Sie ist wie eine Brücke, über die man geht, auf der man jedoch nicht wohnt. Die anderen sind also keineswegs eine Grenze meiner Freiheit. Die anderen sind von Beginn an eine Verpflichtung und Erfüllung meiner Freiheit. In der Bibel lese ich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Jesus erspart uns die Verantwortung nicht! Sie gehört zu unserem Menschsein. Weil jeder Mensch eine einzigartige Würde hat und ein kostbares Ebenbild Gottes ist. Martin Buber übersetzt den Satz Jesu so: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“ Für mich heißt das: Sieh in dem Menschen, der dir begegnet, ein Bild Gottes und respektiere ihn. Wer immer dir begegnet, behandle ihn mit Achtung. Sieh in ihm oder ihr nicht nur eine Arbeitskraft, einen Widerstand, einen Störfaktor, einen Gegner, ein Ärgernis. Sieh in Deinem Gegenüber ein einzigartiges und unverwechselbares Bild Gottes. Und: Behandle keinen Menschen als Mittel zum Zweck! Lass den Menschen, der jetzt vor Dir steht, den wichtigsten auf der Welt sein. Meine Freiheit findet also ihre Grenze immer an der Freiheit des anderen. Aber diese Grenze bedeutet keine Einschränkung sondern ist eine Chance! Die Chance zur Verbundenheit und Mitmenschlichkeit. Oder sollte Marius Müller-Westernhagen doch recht behalten mit seiner Befürchtung „Freiheit – ist das einzige, was fehlt“? Das wäre wirklich schade!

Lied

Psalm 36

Herr, du bist so freundlich!

Der Himmel ist voll von deiner Freundlichkeit. Gott, auf dich kann ich mich verlassen.

Deine Treue reicht bis zu den Wolken.

Du bist gerecht.

Fest und stabil wie Berge ist

deine Gerechtigkeit.

Dein Recht ist so tief wie der Ozean.

Du hilfst Menschen und Tieren

Deine Freundlichkeit, Gott, ist großartig. Menschen finden Schutz bei dir.

Wir werden satt von deiner Großzügigkeit.

Du lässt uns Menschen von deiner Freude kosten. Wir tanzen vor Glück und Freude.

Wir trinken sie wie Wasser

aus einen frischen Bach.

Gott, aus dir sprudelt das Leben.

Wie aus einer Wasserquelle.

Du bist die Quelle – alles Leben strömt aus dir.                

In deinem Licht sehen wir das wahre Licht.

Bleib bei uns mit deiner Liebe und Großzügigkeit.

Bleib bei uns wie ein Freund, auf den wir uns unbedingt verlassen.

 


In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Ihr seid das Salz der Erde.

(Mt 5,13a)

Kompliment, sagt Jesus, Du bist das Salz der Erde.

Salz ist ein ganz besonderes Gewürz;

schwierig und kompliziert zu gewinnen,

außerordentlich wertvoll.

Salz ist die Basis aller Gewürze. Es macht Speisen schmackhaft. Salz ist lebenswichtig, der Baustein allen Lebens. 

Salz wirkt heilend, es konserviert.

Kompliment, sagt Jesus, Du bist das Salz der Erde.

Du bist Salz! Du verleihst dieser Welt Pfiff und Geschmack. Du sorgst dafür, das das Leben nicht fade wird, sondern vollmundig, froh, erfüllt.

Du engagierst dich für andere;

du bleibst bei der Wahrheit;

du setzt dich für Gerechtigkeit ein;

du deutest nicht mit dem Finger auf andere, sondern kehrst vor der eigenen Haustüre;

du machst keine großen Sprüche, stellst dich nicht in den Vordergrund,

du langst zu, wo du gebraucht wirst.

Kompliment, sagt Jesus, Du bist das Salz der Erde.

Du bist es schon: Du bist kostbar, wichtig, besonders. Und jetzt sei auch, was du bist. Verleih dem Leben Würze mit alldem, was in dir steckt!

Trau dich! Entdecke deine Bestimmung, deine Begabung Misch Dich ein! Bring dich ein!

Du bist Salz der Erde! Das bleibt nicht unbemerkt. Damit eckst Du manchmal an. Das ist nicht nach jedermanns Geschmack.

Manchmal streust Du Salz in die Wunde. Wenn Du Dinge ansprichst, die unangenehm und schmerzhaft sind. Wenn Du nicht wegsiehst, nicht schweigst zu Ungerechtigkeit, zu Rassismus, zu Mobbing! Wenn Du klar Stellung beziehst.

Manchmal bist Du das Salz in der Suppe derer, die gleichgültig vor sich hinleben, die sich nur um sich selbst drehen in ihrer kleinen Welt, die sich selbst betäuben, die keine Lust auf Verantwortung haben, die an der Oberflächlichkeit schwimmen.

Du lässt dich als Gottes Streusalz in die Kälte der Welt streuen. Damit das Eis zwischen den Menschen taut, damit niemand Rutschen kommt oder fällt.

Du bist Salz der Erde, sagt Jesus. Du bist das, was diese Welt unbedingt braucht, auch wenn sie es selber nicht weiß! Du bist dafür auf der Welt, dass sie nicht verfault. Dass sie nicht zerbricht. Dass sie nicht verarmt und verödet.

Welch ein Ehrentitel, was für ein Kompliment: Salz der Erde zu sein!

 „Ein Christ ist in dieser Welt da, damit der Geschmack an Gott nicht verloren geht“, sagt Antoine Saint-Exupéry.

Salz wirkt. Es wirkt einfach durch seine Eigenschaften. Christen verändern diese Welt einfach dadurch, dass sie da sind. Sie kämpfen gegen die Verödung an. Sie heilen. Sie bewahren vor dem Verderben. Schmelzen das Eis.

Heinrich Böll hat gefragt, wie traurig es wohl in unserer Welt aussähe, wenn sich nicht Christen immer wieder für mehr Gerechtigkeit und Barmherzigkeit einsetzen würden. Und weiter fragt er: Doch wie wäre es, wenn wir wirklich Jesus konsequent folgten – als Salz der Erde? Wir könnten das Antlitz der Welt verändern.

Bist du auf den Geschmack gekommen? Bereit, Salz der Erde zu sein?

 

Bleiben Sie behütet!

Ihre Pfarrerin Antje Böhme

Gebet

Du Gott des Lebens,

durchwirke mich mit deiner Kraft,

damit ich sein kann was ich bin –

Salz der Erde!

Stärke mich mit deiner Kraft,

damit ich Salz bin, das trägt –

Stütze und tragender Grund für jene,

die Halt und Beistand brauchen.

Beflügle mich mit deiner Kraft,

damit ich Salz bin,

das dem Leben Geschmack gibt –

Würze und Ansporn im tristen Alltagsgrau,

wenn Hoffnung und Freude fehlen.

Belebe mich mit deiner Kraft,

damit ich Salz bin,

das Eis zum Schmelzen bringt –

Eisbrecher und Hoffnungsfunke dort,

wo menschliche Kälte Leben behindert.

Ermutige mich mit deiner Kraft,

damit ich Salz bin,

das sich einmischt –

Salz, das auch die wunden Punkte berührt

und so Heilung ermöglicht.

Amen.


Müht euch nicht um Speise, die vergänglich ist,

sondern um Speise, die da bleibt zum ewigen Leben.

(Johannes 6,27)

 Mit diesen Worten ist die Frage gestellt, was vergänglich ist und was bleibt.

 

Ich empfinde unsere Welt als orientiert an vergänglichen Dingen wie Genuss, Reisen oder Konsum.

Solange alles gut läuft.

Dann kam Corona. Und die Welt hielt den Atem an. Wir wurden leise, besorgt und ratlos. Wir erfuhren, dass nichts bleibend und sicher ist. Wir merkten, wie sehr wir als Menschen und als Gesellschaft verwundbar sind. Wir spürten das Vergängliche und Vorläufige unserer Existenz.

 

Zunächst schien es, als kämen wir ins Nachdenken. Aber dem war nicht so.

Nach relativ kurzer Zeit erwachten wir aus unserer Schockstarre, schüttelten uns und verjagten die Gedanken, die uns während des Corona-Shut-downs kamen, wie lästige Fliegen.

Es gab Corona-Parties, so als wäre Feiern die wichtigste Beschäftigung unseres Lebens. Und als die ersten Bierflaschen gegen Polizisten flogen und die ersten Schaufensterscheiben zu Bruch gingen, konnte ich es nicht fassen.

Gerade jährte sich das Unglück der Loveparade in Duisburg zum 10. Mal. Eine Katastrophe, die 21 Menschenleben und viele Verletzte forderte. Viele sind traumatisiert bis heute. Aus der Suche nach Vergnügen, oder drastisch formuliert, aus der Sucht nach Partyvergnügen und Feiern entstand Tod und Schmerz.

 

Was ist los mit unserer Welt, fragte ich mich. Und als sich in den Medien alles nur noch darum zu drehen begann, wohin wir denn jetzt in den Urlaub fahren können, da wurde ich traurig.

Nicht, dass ich mich nicht gerne vergnüge und Spaß habe. Nicht, dass ich nicht auch gerne an schöne Orte fahre, um mich zu erholen und Abstand vom Alltag zu bekommen. Aber wie kann es sein, dass wir dermaßen die Augen schließen? Denken wir wirklich, es könnte alles wieder genauso werden wie früher?

Wenn ich aus den vergangenen Monaten etwas gelernt habe, dann dieses: Wir können nicht so weiter machen!

Wir könnten damit anfangen, dass wir mal über Vergängliches und Bleibendes nachdenken.

 

Welche Gewohnheiten sollten wir vielleicht sein lassen? Wie setzen wir in Zukunft unsere Zeit und unser Geld ein, damit es uns und unseren Mitmenschen gut geht?

Vielleicht fangen wir an, uns weniger über Vergängliches zu definieren, sondern mehr über Bleibendes wie Solidarität, Kreativität und Füreinander da sein.

Wir entscheiden mit unserem Verhalten, in welcher Welt wir leben!

Die Welt in der wir leben, ist immer noch unheimlich vorlaut und geschwätzig. Solange alles glatt läuft und gut geht. Aber wenn es schwierig wird, in Katastrophen, Krankheit und Tod - da wird sie verlegen, unsere Welt, da weiß sie nichts mehr zu sagen. Genau an dem Punkt, wo die Welt schweigt, da schweigen wir Christen nicht.

Da richten wir die Botschaft von Jesus aus.

Selbst im arrogantesten Gelächter der lauten, geschwätzigen Welt sagen wir, dass der Mensch ein Ziel hat! Wir machen dort den Mund auf, wo alle andern nur die Achseln zucken.

Wir richten die Botschaft von Jesus aus.

 

Müht euch nicht um Speise, die vergänglich ist, sondern um Speise, die da bleibt zum ewigen Leben. (Johannes 6,27)

Bleiben Sie behütet!

Ihre Pfarrerin Antje Böhme

Gebet


Herr, segne uns,

lass uns dir dankbar sein,

lass uns dich loben, solange wir leben,

und mit den Gaben, die du uns gegeben,

wollen wir tätig sein.

 

Herr, geh‘ mit uns

und lass uns nicht allein,

lass uns dein Wort

und dein Beispiel bewahren,

in der Gemeinde deine Kraft erfahren,

lass uns wie Schwestern

und Brüder sein.

 

Herr, sende uns,

lass uns dein Segen sein,

lass uns versuchen, zu helfen, zu heilen

und unser Leben wie das Brot zu teilen;

lass uns ein Segen sein.

(Aus: Lothar Zenetti, Texte der Zuversicht, München 1972, S. 293)


 „Groß sind die Werke des Herrn;

wer sie erforscht, hat Freude daran.“

(Psalm 111,2)

 

Keiner von uns konnte ahnen, dass dieser Sommer so ganz anders werden würde. Viele Urlaubspläne haben sich aufgrund von Corona in Luft aufgelöst. Und wenn wir dieses Jahr Urlaub machen, dann wird es wahrscheinlich ganz anders werden als sonst immer. Was macht das mit uns? Und wie gehen wir damit um?

Die Schriftstellerin Luise Rinser sagt: Krisen sind Angebote des Lebens, sich zu wandeln. Man braucht noch gar nicht zu wissen, was neu werden soll. Man muss nur bereit und zuversichtlich sein.

Statt auf das zu blicken, was nicht geht, sollten wir vielleicht unser Augenmerk auf das richten, was geht!

Auch wenn in diesem Jahr alles anders ist - es bleibt eine Zeit zum Seele baumeln lassen. Ich mag es, mir vorzustellen, wie meine Seele für ein paar Wochen faultiergleich an einem Ast baumelt.

 

Ich genieße es frei zu sein, mich innerlich wohl zu fühlen.

Ich habe jeden Morgen die Chance, neu anzufangen.

Dinge, die meinen Alltag sonst bestimmen, treten in den Hintergrund:

Probleme, mit denen ich mich herumschlage, geben für ein paar Momente nicht den Ton an.

Hektik gibt nicht den Takt vor.

Ich achte ganz bewusst auf die kleinen Dinge!

Ich genieße den Sommer, beobachte Vögel und Schmetterlinge, fühle den lauen Wind und die Sonnenstrahlen, ich rieche den Geruch des Sommers, ich lasse los und lasse mich ein, ich lasse zu, was mir begegnet, ich bin einfach da – gelassen –

Ich betrachte eine Blüte, sehe, wie fein sie strukturiert ist, wie ihre Blütenblätter angeordnet sind, wie einmalig und besonders ihre Farbe und ihr Duft ist.

Ich sehe ein Insekt, das auf der Blüte Platz nimmt, um Nektar aufzunehmen. Gleichzeitig bestäubt es die Blüte, so dass das leben weitergegeben wird.

Ich bewundere die Landschaft, ihre sanften Erhebungen, die sich abwechselnden Felder, einen Bach, der sich hindurchschlängelt.

Ich genieße das kurze Gespräch mit dem Nachbarn, freue mich an seiner freundlichen Geste, ich höre bewusst und dankbar die guten Worte meiner Mitmenschen. Ich kann nur staunen über alles, was mir auffällt, und je länger ich schaue und wahrnehme, umso mehr fällt mir auf!

Wie genial ist Gottes Schöpfung, wie herrlich ist die Welt, in der ich lebe, und wie wichtig ist es, all das ganz genau zu spüren. Wenn ich auf die vielen wunderbaren kleinen Dinge achte, dann geht mir auf, was das für ein Geschenk ist, das ich leben darf, dass ich all das erleben darf.

Nichts davon ist selbstverständlich.

„Groß sind die Werke des Herrn; wer sie erforscht, hat Freude daran.“

ich rieche den Geruch des Sommers, ich lasse los und lasse mich ein, ich lasse zu, was mir begegnet, ich bin einfach da – gelassen.

Ich wünsche Dir den Blick für die kleinen, und doch so besonderen Dinge. Ich wünsche Dir, dass du achtsam durch diesen Sommer gehst

und dass wir das Geschenk des Lebens miteinander feiern können!

 

Bleiben Sie behütet!

Ihre Pfarrerin Antje Böhme

Segen


Ich wünsche dir,

dass es dir

von Zeit zu Zeit gelingt,

loszulassen und einfach

nur du selbst zu sein.

Einmal ein Mensch ohne Leistung

ohne Wenn und Aber

ohne Zeitdruck.

Vielleicht fällt es dir zuerst schwer

die Stille auszuhalten,

die dich plötzlich umgibt.

Möge es dir gelingen,

einfach nur zu sein

mit allem, was du bist,

und zu spüren:

Es ist gut so.


„Jesus sagt: Fürchte dich nicht! Du wirst von nun an keine Fische mehr fangen, sondern Menschen für mich gewinnen.“ (Lukas 5,11)

 

Dieser Satz stammt aus dem Gleichnis vom Fischfang. Lukas erzählt in Kapitel 5, wie Jesus seine Freunde findet und beauftragt, mit ihm zusammen am Reich Gottes zu bauen. Mich berührt vieles an dieser Geschichte.

 

Sie beginnt mit Jesus und einer großen Menschenmenge auf der einen Seite. Und sie beginnt mit zwei leeren Booten auf der anderen Seite. Die Fischer am See Genezareth hatten die ganze Nacht hart gearbeitet und keinen einzigen Fisch gefangen. Die Boote sind leer.

 

Das stelle ich auch in den Kirchen meines Pfarrbereichs fest. Viele freie Plätze, nur wenige Menschen finden sich zusammen.

 

Müde sitzen die Fischer am Strand, frustriert und ausgelaugt von der Erfolglosigkeit ihres nächtlichen Tuns. Nun bleibt ihnen nur noch, mit den letzten Kräften, die ihnen geblieben sind, ihre Arbeit zu Ende zu bringen. Da kommt Jesus auf sie zu. Er gibt einen überraschenden Impuls: Nutzt eure Boote mal für etwas völlig anderes. Starrt nicht auf das, was nicht geht, sondern nehmt wahr, was gehen könnte! Durch seine Anregung ermutigt, wird eines der Fischerboote zur Kanzel, damit Jesus vom See aus zu den vielen Menschen sprechen kann, die sich versammelt haben.

 

Und dann noch ein Impuls, eine völlig widersinnige Idee: Fahrt jetzt noch einmal hinaus, wo es tief ist! Völlig aussichtslos, denken die Fischer. Das ist gegen jede Erfahrung. Das kann doch nichts bringen.

 

Genauso reagiere ich oft, wenn es darum geht, zu überlegen, was in unseren vielen Kirchen noch geschehen könnte. Das kann doch nichts werden! Das gab es noch nie!

 

Das geht nicht! Wo soll das hinführen?

 

"Weil du es sagst, will ich‘s tun", sagt Simon.

 

Ich höre heraus: ich selber muss nicht unbedingt einen Sinn in einer Idee erkennen. Ich kann einen Vorschlag für absolut daneben halten. Aber wenn ich Jesu Wort und Willen darin wahrnehme – dann will ich es auf sein Wort hin versuchen, so abstrus es mir auch vorkommt.

 

Tatsächlich: der Fang ist überreichlich. Die Netze reißen schier, die Fülle ist nicht zu bewältigen! Und dann kommen die Fischer im anderen Boot zu Hilfe.

 

Ob ich das im kirchlichen Alltag vergesse? Ob ich in der eigenen Gemeinde feststecke und gar nicht mehr sehe, dass da noch ganz viele andere unterwegs sind mit dem gleichen Ziel, Menschen für Jesus zu gewinnen. Da bin nicht nur ich auf dem Wasser, da sind noch so viele andere! Und es geht nicht darum, sie als Konkurrenten um die wenigen Fische zu sehen, sondern uns als Gemeinde und Gemeinschaft der Freunde Jesu zu erkennen, die sicher verschiedene Wege gehen, die aber einig sind in dem einen Ziel, die frohe Botschaft in die Welt zu senden, Menschen für Jesus zu gewinnen.

 

Ich bin nicht allein und du auch nicht! Wir sind Menschen, die für Jesus und seine Botschaft brennen! Und wir müssen es nicht allein schaffen! Da sind noch andere Boote unterwegs. Wir können winken, rufen, um Hilfe bitten, einladen.

 

Und wir können uns um Hilfe bitten lassen. Wir können mit anpacken. Wenn wir nur auf den eigenen Kirchturm starren, können wir die anderen nicht sehen. Wenn wir aber den Blick weiten, wenn wir uns öffnen füreinander, dann können wir alle nur gewinnen!

 

Und darum geht es Jesus: ums Gewinnen, nicht ums Fangen, nicht ums einheimsen, nicht ums Für sich selbst Behalten! „Fürchte dich nicht! Du wirst von nun an keine Fische mehr fangen, sondern Menschen für mich gewinnen.“

 

Wer andere gewinnen will, der wird staunen über das, was möglich ist!

 

Kannst du noch staunen? Kannst du dich noch freuen über die tollen Ideen und Projekte in anderen Gemeinden? Bist du bereit, dein Boot in Bewegung zu setzen, um den anderen beizustehen?

 

Bleiben Sie behütet.

 

Ihre Pfarrerin Antje Böhme

Psalm


Wie ein Traum wird es sein, wenn Gott uns befreit, wie in einem Traum.

 

Gerade noch haben wir Tränen geweint, doch jetzt sind wir überglücklich. Unser Mund kann wieder lachen, unsere Zunge wieder singen.

 

Wie ein Traum wird es sein, wenn Gott uns befreit, wie in einem Traum.

 

Überall erzählt man sich: Gott hat Großes getan. Ja Gott hat Großartiges getan, er hat unsere Traurigkeit in Freude verwandelt.

 

Wie ein Traum wird es sein, wenn Gott uns befreit, wie in einem Traum.

 

(nach Psalm 126)


„Der Engel des HERRN rührte Elia an und sprach:
Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“
(1. Könige 19,7)

 

Elia hat schon einen langen Weg hinter sich. In diesem Moment, als er von dem Engel angesprochen wird, sitzt er in der Wüste und will sterben. Kurz zuvor hatte er Menschen einer anderen Religion getötet und nun wurde er deswegen verfolgt. Hinter ihm liegt eine Blutspur. Ein Wettstreit der Worte und der Machtbekundung endete in Gewalt und Elia war vorne mit dabei. Was ist da schiefgelaufen? Wo hat er die Ausfahrt verpasst? Er landet auf seiner Flucht in der Wüste, in der Einsamkeit. Er hat die Orientierung verloren. Er bittet um den Tod.

 

In dieser Situation schickt Gott einen Engel und richtet Elia wieder auf. Er schenkt ihm einen heilsamen Schlaf, Essen und Trinken und dann aufmunternde Worte: „Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir!“ Elia bekommt eine Zukunft, Hoffnung und eine Perspektive.

 

Elia hat für Gott gekämpft und ist dabei zu weit gegangen. Er hat etwas gemacht, das eigentlich unverzeihlich ist. Aber Gott hat ihn für seine Arbeit auf der Welt gebraucht. Elia ist wie jeder Mensch: er macht sich schuldig, er bemerkt seine Schuld und leidet darunter, er ist nicht unbegrenzt belastbar. Elia hat Gott für einen kurzen Moment aus dem Blick verloren und sich gleich mit.

 

Auch wir machen uns Tag für Tag schuldig. Wir durchleben Wüstenzeiten, in denen wir nicht mehr wissen, wer wir sind, in denen wir einsam sind, wo wir die Orientierung verlieren. Eine Müdigkeit breitet sich dann aus, die in uns ist, die nichts mit unserem Alter zu tun hat. Manchmal haben wir Momente, in denen wir des Lebens Müde sind. Für manche geht diese Wüstenzeit bis zu dem Gedanken an den Tod. Ein Tod, der uns aus dieser Verzweiflung befreien könnte.

 

Aber es geht auch anders. Gott kennt unsere Schwächen und steht auf unserer Seite. Manchmal muss uns ein Engel wach rütteln und uns stärken, uns Kraft geben und eine Perspektive. Diese Perspektive kann uns Gott geben.

 

Krisenzeiten gibt es für uns alle. Manche Krisen betreffen uns persönlich, andere unsere ganze Gesellschaft. Auf wen vertrauen wir in einer Krise? Wie behalten wir unsere Kraft in einer Krise? Wie schaffen wir es, dass wir uns und andere in einer Krise stärken, Kraft geben und Orientierung? Wie müssen wir unser Zusammenleben gestalten, damit niemand auf der Strecke bleibt?

 

Gott gibt uns Antworten auf diese Fragen. Auf Gott zu vertrauen heißt, gestärkt, mit Kraft und Orientierung weiterzugehen, auch wenn eine Wüstenzeit hinter- oder vor uns liegt. So wünsche ich uns in unserer Krisenzeit ein besonnenes und geduldiges Herz.

 

Bleiben Sie behütet.

 

Ihre Gemeindepädagogin Sarah von Biela

Psalm



„Der Menschensohn ist gekommen,
zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“
(Lukas 19,10)

 

Wir alle machen Fehler. Eine Lüge führt zu nächsten. Eine Tat führt zur Nächsten. Etwas wird verschwiegen und das führt zu weiterem Schweigen. Wir haben die Wahl die Wahrheit zu sagen, eine Tat zu gestehen oder die Tatsachen auf den Tisch zu legen. Aber oft reden wir uns ein, dass wir diese Wahl nicht haben, dass es schlimmer wird, wenn wir diesen Kreislauf durchbrechen. Wir haben Angst, dass wir durch unser Handeln eine Freundschaft zerbrechen.

 

Was wäre, wenn wir es wagen würden? Wenn wir ehrlich wären, wenn wir das, was wir denken und fühlen, auf den Tisch legen würden?

 

Wir wären verletzlich, aber wir schenken unserem Gegenüber Vertrauen. Vertrauen in die Fähigkeit, Reue zu verstehen und zu vergeben.

 

Durch unsere Fehler fühlen sich Menschen verletzt, nicht wahrgenommen, hintergangen. Wir wollen durch Folgefehler versuchen diese Schuld zu verstecken. Wir haben Angst zuzugeben, dass wir eine Schuld auf uns geladen haben und dass wir für einen seelischen Schaden verantwortlich sind.

 

Was wäre, wenn wir den Fehler entdecken und nicht verstecken? Was wäre, wenn wir die Wahrheit sagen, die Tat gestehen und das Schweigen brechen? Was wäre, wenn wir ab heute das richtige tun?

 

Aber was ist, wenn wir uns verloren fühlen und keine Kraft haben, um das Richtige zu tun? Wir haben Angst vor Ablehnung und Rache.

 

In der Bibel steht: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ Jesus ist für uns auf die Erde gekommen. Für jede*n von uns. Er will uns Kraft geben, uns den Rücken stärken und bei uns sein, wenn wir beschließen, anderen zu vertrauen und unseren Teufelskreis der Fehler zu durchbrechen.

 

Bleiben Sie behütet.

 

Ihre Gemeindepädagogin Sarah von Biela

Psalm



Gott sagt: Fürchte dich nicht! Ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein! (Jesaja 43,1)

 

Samuel Harfst hat ein Lied geschrieben, das mich tief berührt.
Die ersten Zeilen lauten:

 

Ist es nicht wunderbar, an diesem Tag zu sein?

Es ist ein Privileg, erachte es nicht als klein!

 

In der Tat: es ist ein Privileg, es ist wunderbar, zu sein, zu existieren. Und nicht nur das! Es ist ein Privileg, geliebt zu sein, gewollt zu sein, von Gott gesehen, von Gott geliebt zu sein. Die Alten nannten das Erwählung. Gott hat dich erwählt! Wir würden heute eher sagen: Gott hat dich ausgesucht. Du bist etwas ganz besonderes für ihn, so einzigartig und wunderbar, wie du bist.

 

Ist es nicht wunderbar, an diesem Tag zu sein?

Es ist ein Privileg, erachte es nicht als klein!

 

Dieses Privileg, von dem Samuel Harfst singt, ist unsere Menschenwürde. Sie macht uns aus. Sie zeichnet uns aus. Und sie ruft uns heraus: sie ruft uns heraus aus dem bloßen Existieren. Unsere Menschenwürde ist uns Auszeichnung und Verpflichtung!

 

Wenn ich als Mensch der Aufmerksamkeit Gottes würdig bin, wenn das meine Menschenwürde ist, dann ist völlig klar: Menschenwürde gilt nicht nur mir. Sie gilt jedem Menschen! Dem Flüchtlingskind, das unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem Flüchtlingslager in der Türkei oder in Griechenland oder im Libanon oder in Lybien dahinvegetieren muss, ohne ausreichende Versorgung, voller Angst davor, ob es den nächsten Tag übersteht;

 

Menschenwürde gebührt dem jungen Schwarzen in Amerika, der sich nicht sicher sein kann, ob er gleich in eine Polizeikontrolle gerät, bloß weil seine Hautfarbe dunkel ist; und der Angst haben muss, von gewaltbereiten, rassistisch denkenden Polizisten um sein Leben gebracht zu werden;

 

Menschenwürde gebührt jedem Menschenkind auf dieser Welt, das gerade gequält, misshandelt, sexuell ausgebeutet wird und sich nicht dagegen wehren kann.

 

Menschenwürde – die Würde die Gott jedem Geschöpf auf dieser Erde gibt, einfach so aus seiner unendlichen großzügigen, weitherzigen Liebe heraus – gilt allen.

 

Das ist nicht bloße Theorie; das will konkret werden. Das ist ansteckend. Wenn ich von Gott so privilegiert bin, dann kann ich gar nicht anders. Ich muss das weitergeben.

 

Und deshalb bin ich aufgerufen, für die Menschenwürde einzutreten, für sie aufzustehen, für sie aktiv zu werden.

 

Es treibt mir die Schamesröte ins Gesicht, wie gleichgültig, wie behäbig wir sind! Ich kann nicht ruhig schlafen, mich macht es verrückt, wenn ich an all die getretenen, geplagten, vernachlässigten Menschen auf dieser Erde denke. Es dreht mir das Herz im Leib herum, auch wenn sie gerade keine Schlagzeile in den Medien wert zu sein scheinen – noch nicht einmal das!

 

Wenn es für mich ein Privileg ist, auf dieser Welt zu sein, dann ist es umso mehr mein Privileg, und meine verdammte Christenpflicht und Schuldigkeit, für die zu sprechen, deren Menschenwürde missachtet wird!

Das Wort aus dem Jesajabuch sagt mir: 'Gott glaubt an dich!' Und er tut auch heute noch Wunder, Stunde um Stunde, Tag für Tag!

Wo kannst du heute ein Wunder tun im Namen der Menschenwürde? Wo kannst du heute dafür sorgen, dass die nicht vergessen werden, die nicht für sich selber sprechen können?

 

Bleiben Sie behütet!

 

Ihre Pfarrerin Antje Böhme

Glaubensbekenntnis


Ich glaube an Gott, der die Welt nicht fertig geschaffen hat wie ein Ding, das immer so bleiben muss;

der nicht nach ewigen Gesetzen regiert, die unabänderlich gelten

nicht nach natürlichen Ordnungen von Armen und Reichen,

Sachverständigen und Uninformierten,

Herrschenden und Ausgelieferten,

 

Ich glaube an Gott,

der den Widerspruch des Lebendigen will und die Veränderung aller Zustände, durch unsere Arbeit, durch unsere Politik.

 

Ich glaube an Jesus Christus, der recht hatte, als er - ein einzelner, der nichts machen kann - genau wie wir, an der Veränderung aller Zustände arbeitete, und darüber zugrunde ging.

An ihm messend erkenne ich, wie unsere Intelligenz verkrüppelt, unsere Phantasie erstickt, unsere Anstrengung vertan ist,

weil wir nicht leben wie er lebte!

 

Jeden Tag habe ich Angst, dass er umsonst gestorben ist, weil er in unseren Kirchen verscharrt ist, weil wir seine Revolution verraten haben in Gehorsam und Angst vor den Behörden.

Ich glaube an Jesus Christus, der aufersteht in unser Leben dass wir frei werden von Vorurteilen und Anmaßung, von Angst und Hass; und seine Revolution weitertreiben auf sein Reich hin!

 

Ich glaube an den Geist, der mit Jesus in die Welt gekommen ist, an die Gemeinschaft aller Völker, und unsere Verantwortung für das, was aus unserer Erde wird: ein Tal voll Jammer Hunger und Gewalt oder die Stadt Gottes;

 

Ich glaube an den gerechten Frieden, der herstellbar ist, an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens für alle Menschen, an die Zukunft dieser Welt Gottes. Amen

 

(von Dorothee Sölle)